Cottbus-Lexikon

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Sachsendorf - Das Hungerdorf?

Wer sich einen Stadtplan von Cottbus zur Hand nimmt, wird sich vermutlich kaum über die zweisprachigen Orts- und Flurnamen wundern. So wird Cottbus im Wendischen als Chóśebuz bezeichnet. Für die meisten dürften sich die Bedeutungshintergründe der Ortsnamen aufgrund fehlender Sprachkenntnisse jedoch kaum erschließen. Dabei verfügen manche Orte über »sprechende Namen« und geben in manchem Fall sogar den Blick auf das Gegen- und Miteinander verschiedener Bevölkerungsgruppen in der Vergangenheit frei. Ein Beispiel hierfür ist die wendische Bezeichnung für den heutigen Cottbuser Stadtteil Sachsendorf: Knowara. Übersetzt bedeutet dieser Ortsname soviel wie Hungerdorf. Ein spöttischer Ausdruck der Cottbuser Bevölkerung, der den teils ärmlichen Verhältnissen der kurz vor der Stadtgrenze liegenden Ortschaft Rechnung trug.

Welcher Herkunft die Bewohner von »Knowara« mehrheitlich waren, zeigt hingegen die deutsche Bezeichnung »Sachsendorf«. Der Ort war gemäß einer Verfügung Friedrichs des Großen vom 21. Juni 1779 ab 1781 errichtet worden. Die königliche Verfügung verfolgte eine Politik, die sich bereits bei der Ansiedlung der Hugenotten in Cottbus offenbart hatte. Das frühneuzeitliche Preußen benötigte aus Sicht der Landesherren eine größere Bevölkerung, um wüste Flächen und Regionen urbar zu machen. Eines der bekanntesten Beispiele dieser Siedlungs- und Meliorationsmaßnahmen ist mit Sicherheit das Oderbruch. Jedoch kam es ab 1740 in der gesamten Provinz Preußen, vor allem nach dem verlustreichen Siebenjährigen Krieg, zu zahlreichen Siedlungsprojekten, bei denen der Raum Cottbus zu den Kleineren gehörte. Sachsendorf, das zunächst noch den Namen »die Prior« trug, wurde hierbei durch Sachsen besiedelt, die mitunter ihren Gutsbesitzern über die nur wenige Kilometer entfernte Landesgrenze entflohen waren. Dass das Dorf keineswegs auf Dauer Hunger litt, zeigt die Bevölkerungsentwicklung, denn zwischen 1784 und 1818 stieg die Anzahl der Einwohner von 131 auf 297 Personen. Aber nicht jeder der Bewerber wurde angenommen. So gab der Magistrat der Stadt gegenüber einer Bewerbung zu Protokoll: »Mit Bettlern ist dem Könige nicht gedienet und kann kein gründliches Etablissement mit ihm gemacht werden.«

Dieser Prozess führte letztlich zu einem maßgeblichen wirtschaftlichen Fortschritt Preußens und durch die Ansiedlung von Kolonisten aus zahlreichen Ländern und Territorien zu einer beachtlichen kulturellen und sprachlichen Diversität. Die »Sachsendorfer« trugen in jenem Prozess unter anderem durch Innovationen in der Tuchproduktion bei, die für viele Jahrzehnte die Cottbuser Wirtschaft dominierte. Die Folgen jener Diversität schlugen sich aber mitunter in Konflikten zwischen Kolonisten und der angestammten Bevölkerung nieder. Vor allem die Konkurrenz um die vorhandenen Ressourcen sowie die besonderen Privilegien der Neusiedler – wie ermäßigte Steuerabgaben oder die kostenfreie Abgabe von Grund und Boden – waren ein häufiger Grund für Auseinandersetzungen. Exemplarisch kam es zwischen den »Sachsen« und alteingesessenen Anwohnern zu beständigen Streitigkeiten um die Torfgräberei entlang des Prior-Fließes.

Quellen:
Bayerl, Günter: Peripherie als Schicksal und Chance. Studien zur neueren Geschichte der Niederlausitz. Münster u.a. 2011. | Haufe, Heinz: Wie Sachsendorf zu seinem Namen kam. In: Geschichte und Gegenwart des Bezirkes Cottbus 12 (1978). Kublick, Helmut: Die Siedlungspolitik Friedrichs des Großen im Kreise Cottbus. Halle (Saale) 1935. | Lehmann, Rudolf: Geschichte der Niederlausitz. Berlin 1963. | Lehmann, Rudolf: Historisches Ortslexikon für die Niederlausitz. Bd. 2. Die Kreise Cottbus, Spremberg, Guben und Sorau. Marburg 1979.

Autor: Paul Fröhlich

Bildquelle: Blick auf das Stadtmodell 1800, (c) Thomas Richert

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