Cottbus-Lexikon

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Jüdisches Leben in Cottbus - Neue und alte Heimat

Der 9. November 1938 bedeutete für viele Juden und Jüdinnen in Deutschland ein definitives Ende des Gemeindelebens. Nach den zahlreichen Entrechtungsmaßnahmen und Verfolgungen durch das NS-Regime seit 1933 wurden in der Pogromnacht jüdische Geschäfte geplündert, Wohnungen zerstört, Juden verschleppt und Synagogen in Brand gesteckt. Auch die Cottbuser Synagoge als Wahrzeichen jüdischen Lebens wurde ein Opfer der Flammen. Die Zahl der jüdischen Einwohner nahm nun rapide ab. Wer konnte, floh ins Ausland, so dass von einstmals 400 Personen 1939 nur noch 162 in der Stadt lebten. Die Shoah selbst überlebten nur 12 Cottbuser Jüdinnen und Juden.

Nach dem Krieg konnte daher jüdisches Leben in der Stadt für mehrere Jahrzehnte nicht mehr stattfinden. Erst mehr als 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich wieder eine jüdische Gemeinde in Cottbus zu bilden. Den Anstoß dazu bildete eine Initiative der letzten, frei gewählten Regierung der DDR Anfang 1990. Da die SED-Regierung eine historische Verantwortung für die Shoah stets abgelehnt hatte, sah man es nun an der Zeit, ein Zeichen der Entschuldigung und Wiedergutmachung zu setzen. So durften ab 1990 Personen mit jüdischer Abstammung aus der Sowjetunion in das wiedervereinte Deutschland einreisen – ab 1991 als »Kontingentsflüchtlinge« bezeichnet. Bis 2004 migrierten so fast 220.000 sowjetische BürgerInnen mit jüdischen Wurzeln in die Bundesrepublik. Das Land Brandenburg beschloss, sie in sieben größeren Orten anzusiedeln, um eine Streuung zu vermeiden bzw. so größere Gemeinden zu schaffen. Nach einer kurzen Zeit in einem Auffangheim wurden die Kontigentflüchtlinge dann ihren Orten zugewiesen. Insgesamt wurden so 7384 Personen im Land verteilt.

Cottbus war in dieser Entwicklung ein Nachzügler. Erst ab 1997 gelangten die ersten jüdischen Neubürger in die Stadt, um eine neue Gemeinde etablieren. Die Integration war für sie mit einigen Hürden verbunden, die sich aus der sprachlichen Neuorientierung und der Begegnung mit einem völlig anderen gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen System ergab. Zudem musste die jüdische Identität häufig erst wiederentdeckt werden. Ihr Ausleben war in der Sowjetunion weitestgehend untersagt worden und gesellschaftlich negativ behaftet gewesen. Traditionen und Bewusstsein für das Jüdisch-Sein entwickelte sich vor dem Hintergrund der dringlicheren Bewältigung des Alltags erst langsam. Wichtiger waren zunächst Deutschkurse oder die Anerkennung von Ausbildung und Beruf. Insoweit verwundert es kaum, dass die institutionellen Anfänge der Gemeinde mit einer angemieteten Wohnung zunächst recht klein waren. Erst 2015 gelang es nach mehr als 65 Jahren am 27. Januar 2015 der jüdischen Gemeinde mit der Neuen Synagoge in der Schlosskirche eine neue Heimstatt zu geben. Es war damit das erste jüdische Gotteshaus in Brandenburg, das nach der Progromnacht wieder eröffnet wurde.

Inzwischen ist die Gemeinde auf gegenwärtig etwa 400 Menschen angewachsen und hat damit wieder die Größe der Vorkriegszeit erreicht. Dennoch sind die Aussichten für den Fortbestand nicht optimal. Bereits während der Migration in den Neunzigerjahren erwies sich das Durchschnittsalter als verhältnismäßig hoch. Inzwischen zeigt sich deutschlandweit eine Überalterung sowie Verkleinerung der Gemeinden. 2017 sind in der Bundesrepublik 1.500 Menschen in den jüdischen Gemeinden gestorben, aber lediglich 250 geboren. Es ist daher zu befürchten, dass sich die Zahl der knapp 100 deutschen Gemeinden in Zukunft verkleinern und auf einige wenige Zentren beschränken wird.

Quellen:

Kindelberger, Hala; Kindelberger, Kilian: Herausforderung Integration. Thesen zur Migration und Integration von Zuwanderern im Land Brandenburg. Potsdam 2007.

Onlinequellen:

Aufarbeitung Cottbus e.V.: 700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland – Jüdisches Leben in Cottbus,, Link: https://www.aufarbeitung-cottbus.de/1700-jahre-juedisches-leben/1700-jahre-juedisches-leben-in-deutschland-juedisches-leben-in-cottbus | Bernstein, Julia: Man hat Juden erwartet und es sind Menschen gekommen. Link: https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/juedischesleben/331911/russischsprachige-juedische-zuwanderung-ab-1990. | Jüdische Gemeinde der Stadt Cottbus: Festschrift zur Einweihung der Synagoge in Cottbus. 27. Januar 2015. Link: http://www.juedische-gemeinde-cottbus.de/sites/d7.juedische-gemeinde-cottbus.de/files/images/Synagoge%20Cottbus.pdf

Autor: Paul Fröhlich

Bildquelle: Kippa von der Eröffnung der Cottbuser Synagoge, (c) Thomas Richert

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