Cottbus-Lexikon

Zurück

Infanterie-Regiment Nr. 52 braucht Platz!

Nur wenige Meter vom kulturellen Zentrum der Stadt – dem Staatstheater – entfernt befindet sich ein architektonisches Ensemble, das äußerst greifbar auf die Cottbuser Militärgeschichte verweist: die Alvensleben-Kaserne. Dass der rote Klinkerbau mit seinem weitläufigen Kasernenhof nach kurzer Bauzeit 1886 dem Infanterie-Regiment 52 zur Verfügung stand und dabei von der Cottbuser Stadtverwaltung sogar begrüßt wurde, war wenige Jahrzehnte zuvor noch unvorstellbar. Ende des 18. Jahrhunderts hatte der Magistrat der Stadt noch eindringlich darum gebeten, »den hiesigen Ort mit keiner Garnison zu belegen«. Aber administrative und wirtschaftliche Interessen sorgten dafür, dass Cottbus mit dem Einzug des Infanterie-Regiment 52 für viele Jahrzehnte über eine eigene Garnison verfügen würde. Damit wurde das Militär mit allen seinen Konsequenzen zu einem unübersehbaren und einflussreichen »Player« in der städtischen Gesellschaft.

Erstmals zog 1868 das II. Bataillon des Regiments in Cottbus ein. Bereits diese militärische Präsenz von knapp 500 Soldaten stellte die Stadt sowie die Stadtbevölkerung – in etwa 19.000 Einwohner – vor eine enorme Herausforderung. Da zunächst kaum brauchbare Gebäude verfügbar waren, mussten die Soldaten in sogenannten Bürgerquartieren untergebracht werden. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Bürger der Stadt gegen ein festgesetztes Entgelt in ihren Privatwohnungen und -gebäuden, die Soldaten des Regiments aufnahmen. Jene Einquartierungen wurden von vielen Cottbuser HausbesitzerInnen als attraktive Einnahmequelle gesehen.

Erst mit der Zeit wurde eine militärische Infrastruktur in der Stadt hergestellt, die die Stadtkasse durch die Beteiligung bei der Beschaffung von Grundstücken und beim Bau von Gebäuden belastete. So wurde 1874 der Bau einer Offiziers-Speiseanstalt begonnen, 1881 wurden die Finanzmittel zur Errichtung eines Garnisonslazaretts beantragt. Den Militärbehörden schien die Situation der Liegenschaften jedoch völlig unzureichend, da sich die Anzahl der Militärpersonen seit 1868 verdoppelt hatte, und man fasste einer Verlegung des Bataillons nach Guben oder Forst ins Auge. Aus Furcht vor dem Verlust der Garnison erklärte sich die Stadt 1885 bereit, sich am Bau einer Kaserne, eines Offizierskasinos, einer Reitbahn und einer Schwimmanstalt zu beteiligen. Zudem war mit der Zustimmung die Aufnahme eines zweiten Bataillons verbunden, dessen Aufstellung in Cottbus 1893 folgen sollte. Die Kosten, die zu einem nicht unbeträchtlichen Teil durch die Stadt selbst getragen wurden, betrugen allein zwischen 1885 und 1887 über 572.000 Mark. Die Profiteure des einsetzenden Baubooms waren vor allem die lokalen Handwerksfirmen, die das »militairische Etablissement« errichteten.

Die Ansiedlung des Infanterie-Regiments 52 zog natürlich nicht nur städtebauliche Veränderungen mit sich. Auch die Bevölkerungsstruktur veränderte sich zwangsläufig durch den permanenten Zuzug von Offizieren und Mannschaften, von Reservisten und Wehrpflichtigen. Leider erschwert die Existenz des militärischen Instruments und vor allem dessen Einsatz es, detaillierte Aussagen zur Herkunft des Militärpersonals zu treffen. Ein Luftangriff in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs zerstörte das Heeresarchiv Potsdam völlig und vernichtete damit auch die schriftliche Überlieferung zum preußischen Heer. Adressbücher, alte Ranglisten sowie die Verlustliste vom Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 geben jedoch eine Tendenz zur Herkunft der Soldaten. Unter den Offizieren war keiner gebürtiger Cottbuser, was der hohen Mobilität des Offizierkorps im preußischen Militär geschuldet war. Häufige Ortswechsel gehörten zur Tagesordnung. Der 1876 amtierende Bataillonschef Oberstleutnant Oldwig von Natzmer war beispielsweise gebürtiger Potsdamer und hatte bereits in anderen Regimentern gedient. Die Offiziere des Bataillons brachten somit eine gewisse »Weltläufigkeit« aus anderen Teilen des Deutschen Reiches mit. Bei den Mannschaften – also den unteren Dienstgraden – war die Herkunft deutlich homogener. Dem Regiment waren als Rekrutierungsbezirk die Kreise Cottbus, Spremberg, Lübben und Calau zugewiesen. Dementsprechend setzte sich der Großteil der Mannschaften aus Wehrpflichtigen des ländlichen Südens der Provinz Brandenburg zusammen. Jedoch fanden sich unter den Wehrpflichtigen auch einige aus Berlin oder den Gebieten östlich der Oder und Neiße.

Quellen:
Stadtarchiv Cottbus (A.I.14.1 Nr. 8) | Stadtarchiv Cottbus (A.I.14.5 Nr. 28) | Das Infanterie-Regiment von Alvensleben (6. Brandenbg.) Nr. 52 im Weltkriege 1914/1918: Nach d. amtl. Kriegstagebüchern u. einigen Aufzeichn. v. Kriegsteilnehmern bearb. Oldenburg 1923. | Geschichte des Infanterie-Regiments von Alvensleben (6. Brandenburgischen) Nr. 52. 1860-1897. bearb. v. Hermann Berkun, Hellmuth v. Schwemler. Berlin 1899.

Autor: Paul Fröhlich

Bildquelle: Blick auf die Alvensleben-Kaserne, (c) Paul Fröhlich

Zurück