Cottbus-Chronik

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 1933  

1933

  • In der Stadt leben 24.233 Männer, 28.069 Frauen in 3.814 Wohnstätten und 17.864 Haushaltungen.
  • Das Gebäude am Hindenburgplatz (heute Lehrgebäude der BTU, einst als Haus der NVA genutzt und als Nordkino) wird als Lehrgebäude und Sport- und Freizeithalle der Pädagogischen Akademie errichtet nach dem damaligen Hochschuldirektor „Mommsenhalle" genannt. Der Saal des Klub- und Kinogebäudes fasst 200 Besucher. Zugleich wird die 1932 gegründete Pädagogische Akademie zur Hochschule für Lehrerbildung umgewandelt.
  • Die Cottbuser Feuerwehr unterhielt eine Hauptfeuerwache und 5 Nebenwachen. Die Wache im Süden besaß eine Exerzierhalle von 1.000 m², einen Schulungsraum für 200 Mann und ein Gerüst für die Steigerausbildung: In der Hauptfeuerwache gab es einen Unterrichtsraum mit 70 Plätzen und eine Geschäftsstelle für die organisatorischen und buchhalterischen Arbeiten. Als Oberführer der Feuerwehr wirkt bis 1934 H. Bergte.
  • In der Zeitschrift „Deutscher Kulturwart" wird das Kunstbild des Dritten Reiches vermittelt. Dabei sind auch Cottbuser Maler mit ihren Bildern vertreten, so u. a. Karl Göde, Carl Noack, Bianca Commichau-Lippisch, Fritz Lattke, Franz Waldmann, Hans Friedrich, Erich Seifferth und Walter Kühne.
  • Nach der Auslagerung des Stadtarchivs in das Rathaus wird eine Generalüberholung des Gebäudes Sandower Straße 50 angeordnet, nach der Sanierung übernimmt die Stadtsparkasse auch die Räume in der 1. Etage.
  • Durch den Caritasverband in der Wilhelm-Külz-Straße 57 werden ausländische Zwangsarbeiter betreut, Verfolgte der Nationalsozialisten erhalten Hilfe, und auch Juden wurden heimlich betreut.
  • Die Stadt übergibt den Flugplatz an eine Verkehrsfliegerschule. Entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrages werden Piloten und Beobachter für die Luftwaffe ausgebildet und der Platz mit Hallen und Wohngebäuden erweitert und der zivile planmäßige Flugverkehr wird eingestellt.
  • Zum Ärztlichen Direktor des Städtischen Krankenhauses Cottbus wird bis 1939 Dr. med. Walter Kühne ernannt. Er übernimmt die gemeinsame Ärztliche Oberleitung und ist Spezialarzt für Nervenkrankheiten und Internist. Als zweiter Ärztlicher Direktor des Städtischen Krankenhauses wird der Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. med. habil Otto Hahn, (1887 – 1946) bis 1939 ernannt.
  • Kurt Karnauke (Kurt Karnawka) veröffentlicht seine Erzählung „Der Wendenbauer". Geboren wurde Kurt Karnauke am 29. April 1866 in Cottbus als Sohn einer Tuchmacherfamilie. Der Arzt und niedersorbische Schriftsteller schreibt zwei wendische Opern und Erzählungen. Unmittelbar nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten läßt die Nazistische Reichsschrifttumskammer seine Werke beschlagnahmen und verbietet deren Verbreitung. Kurt Karnauke stirbt am 18. April 1944 in Spremberg.
  • Der bisherige Heimatkalender wird umbenannt und unter den neuen Titel „Heimatkalender für die Niederlausitz" bis 1942 weiter herausgegeben.
  • Die Ringchaussee zwischen Kolkwitz, Burger Chaussee und Dissenchen wird bis 1935 durch das faschistische Arbeitsprogramm fertig gestellt.
  • Im Wasserwerk Sachsendorf wird eine Enteisungsanlage, eine Entsäuerungsanlage erbaut und die Brunnenanlage erweitet sowie dafür ein zweites Pumpenwerk errichtet.
  • Der Architekt Rudolf Stiefler verlegt seinen Firmensitz „Büro für Architektur und Kunstgewerbe" in die Bahnhofstraße 58.
  • Erstmalig tauchen Projekte auf, das Straßenbahnnetz auf einen Obusbetrieb umzustellen. Dieses Projekt wird jedoch nicht realisiert.
  • Am 5. Januar 1933 übernimmt der Bäckermeister Koall die Leitung des Bäckergewerkes als Obermeister.
  • Am 18. Januar 1933 findet im Staebner-Saal des Konzerthauses Altmann die „Reichsgründungsfeier" des Stahlhelmes statt.
  • Unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 organisieren NSDAP, SA und SS einen Fackelzug vom Schillerplatz zum Berliner Platz.
  • In der Bahnhofstraße 27 richtet die NSDAP ihre Kreisleitung ein.
  • In den folgenden Jahren werden in Deutschland mehr als 300 Gesetze und Verordnungen zur Entrechtung der Juden erlassen.
  • In Cottbus werden z. B. der jüdische Kinderarzt Gustav Matzdorf und seine Frau aus der Praxis und ihrem Wohnhaus vertrieben, sie wählen den Freitod.
  • Bis zum 1. Oktober 1933 verlassen 34 jüdische Einwohner die Stadt.
  • Im Verlaufe des Jahres 1933 findet unter der Leitung des Generalsuperintendenten Dr. Vits ein Pfarrkonvent mit den Themen: „Freiwilliger Arbeitsdienst und Arbeitslager" und „Die unsichtbare Front der Gottlosen" statt.
  • In der Stadt gehören zwei Pfarrer den „deutschen Christen" und drei Pfarrer der „Bekennenden Kirche" (u. a. Pfarrer Dr. Timm) an. Zahlreiche andere Geistliche waren Mitglieder der NSDAP.
  • Im Februar 1933 wird die „Reichsbanner-Jugend", die ihren Sitz im Gewerkschaftshaus hatte, aufgelöst. Außerdem wird in Cottbus eine Hilfspolizei rekrutiert.
  • Am 25. Februar 1933 demonstriert die „Eisernen Front" und schon am nächsten Tag veranstalten 1.500 Angehörige der SA, SS, Arbeitsmänner und Hitlerjungen eine Gegendemonstration.
  • Bereits am 5. März 1933 werden in der Stadt erste massive Proteste gegen jüdische Unternehmen in der Stadt u. a. gegen das Kaufhaus Schocken und das Kaufhaus Brummer & Schiesser organisiert.
  • Die Mitinhaber des Kaufhauses „Brummer & Schießer" in der Spremberger Straße 26 wandern nach Israel aus.
  • Am 7. März 1933 weht auf dem Spremberger Turm die Hakenkreuzflagge als Zeichen der Machtübernahme durch die Faschisten.
  • Nach den Kommunalwahlen am 12. März 1933 wird Dr. Henricus Haltenhoff als kommissarischer Magistratsdirigent nach Cottbus berufen und im Juli zum Oberbürgermeister gewählt. Seit April 1933 war er außerdem NSDAP-Mitglied. Endgültig tritt er das Amt als Oberbürgermeister am 13. August 1933 an und wird es bis 1937 in Cottbus wahrnehmen, danach wird er bis 1942 Oberbürgermeister von Hannover. Der Jurist wurde am 22. Juli 1888 geboren, nach 1945 wird er als Mitläufer eingestuft, ist zeitweilig Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag und stirbt am 3. September 1956.
  • In der Oberkirche findet am 19. März 1933 ein Dankgottesdienst mit anschließendem Marsch zum Schillerplatz statt.
  • Für die neue Kirche St. Maria Friedenskönigin wurde am 21. März 1933 aus Spenden von Schmuck, Ringe, Gold- und Silbermünzen, die seit dem 18. Dezember 1932 gesammelt wurden, ein neuer Kelch gefertigt.
  • Am 24. März 1933 werden zahlreiche KPD- und SPD-Mitgliedern verhaftet, Zu ihnen gehören u. a. Paul Gehler, Paul Wehlan, der Buchhändler Weiß (Buchhändler), Walter Wagner, der Wachmann Scheppan, Paul Liebeck, der Rathausinspektor Arthur Knösel und Otto Neitsch. Zudem bildet sich in Cottbus eine Widerstandsgruppe um Willi Jannasch, zu der auch der Tuchmacher Albert Forster, Annemarie Schulz und der Tischler Georg Dix gehören. Die Widerstandsgruppe wird 1936 entdeckt und die meisten Mitglieder erhalten Zuchthausstrafen.
  • Auf einen Dringlichkeitsantrag der Fraktion der NSDAP am 29. März 1933 soll die Stadtverordnetenversammlung den Reichskanzler Adolf Hitler, Wilhelm Kube, Hermann Göring und den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zu Ehrenbürgern ernennen. Diese werden auch in das Goldene Buch eingetragen. Gleichzeitig wird dem jüdischen Ozeanflieger Charles Levin, er hatte gemeinsam mit Clarence D. Chamberlin 1927 den ersten Nonstopflug von Amerika nach Europa gemeistert und war in Klinge notgelandet, die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen und seine Name aus dem Goldenen Buch der Stadt gestrichen.
  • Im Cottbuser Anzeiger wird am 31. März 1933 zum Boykott jüdischer Geschäfte und Büros unter der Überschrift „Wer beim Juden kauft, ist ein Verräter am deutschen Volk" aufgerufen. Diesen Boykott erleben dann am 1. April 1933 auch in Cottbus die jüdischen Geschäftsinhaber, Juristen und Ärzte.
  • Die nationalsozialistische Regierung verfügt am 24. April 1933 die Gleichschaltung der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen.
  • Im Mai 1933 beginnen die Reparaturen an der südlichen Bahnhofsbrücke. Die Stahlbauarbeiten übernimmt die Firma „Hummel und Merkel" aus Leipzig, die Pflasterarbeiten werden von der Firma „Kuch" aus Cottbus ausgeführt und die Isolierung realisiert die Firma „Ruberoidwerken Cottbus". Der Hauptträger wird verstärkt und die fehlende Profilfreiheit durch Verlegen und Verändern der Stützen im Fußbereich hergestellt. Die Fahrbahntafel wird erneuert. Es wurde ein Kleinpflaster auf ein 4 cm Betonbett gelegt.
  • Im Mai 1933 wird Willy Budich (Wyli Budych) in Berlin verhaftet und in einem SA-Lokal zum Krüppel geschlagen. Infolge der Misshandlungen verliert er seine Seh- und Hörkraft und wird in den folgenden Jahren von Herz- und Kreislaufbeschwerden geplagt. Nach seiner Freilassung bringen ihn Freunde in die Sowjetunion zu seiner Familie.
  • Seit dem 5. Mai 1933 wird auch in Cottbus der „freiwilligen Arbeitsdienstes" durchgeführt. Nach der Volkszählung am 16. 06. leben 52.081 Bewohner in 17.864 Haushaltungen. Insgesamt sind 32.215 Cottbuser Bewohner hauptberuflich erwerbstätig und 4.858 arbeitslos. 2.864 Menschen erhalten Wohlfahrtsunterstützung und werden zu Hilfsarbeiten eingesetzt. Insgesamt 604 Familien sind ohne eigenen Wohnraum registriert.
  • Im Cottbuser Stadtmuseum wird am 24. Juli 1933 ein „Luftschutzraum" eingerichtet.
  • Im Sommer 1933 verlost der „Cottbuser Anzeiger" in einem Preisausschreiben Stadtrundflüge. 500 Schüler starten zu den Stadtrundflügen von etwa 10 Minuten und etwa 30 km Flug. Der Preis beträgt für einen Erwachsenen 6 RM und für Kinder 3 RM. Danach wird der zivile planmäßige Flugverkehr eingestellt. Nach Verhandlungen zwischen Vertretern der Stadtverwaltung und der „Deutschen Verkehrsfliegerschule GmbH" (DVS) wurde nun die „Verkehrsfliegerschule Cottbus" eingerichtet, die Teil der getarnten Aufrüstung des deutschen Reiches war. In der eigentlich durch die Wehrmacht betriebenen „Verkehrsfliegerschule" wurden nun umfangreiche Baumaßnahmen realisiert, Werfthallen, Unterkünfte und sogar eine Sporthalle wurden errichtet.
  • Am 12. August 1933 wird der Vertrag zur Eingemeindung von Teilen der Gemeinde Branitz unterzeichnet.
  • Im Berliner Auswärtigen Amt findet am 30. August 1933 die sogenannte „Wendenbesprechung" statt, hier wurde festgestellt, daß gegenüber den Wenden zunächst eine tolerante Politik notwendig sei. Jedoch war schon vorher das Erscheinen der niedersorbischen Zeitung „Serbski Casnik" eingestellt worden. 1937 musste auch die wissenschaftliche Gesellschaft „Masica Serbska" ihre Tätigkeit einstellen und 1941 wurde auf einer Geheimkonferenz beschlossen, nach dem Ende des Krieges die Sorben/Wenden aus ihrer Heimat zu vertreiben und auszurotten.
  • Der 1899 gegründete „Bäckermeister-Gesangvereins" wird im September in „Sängerchor der Bäckerinnung Cottbus" umbenannt. Es wurden nun nicht mehr nur Meister in den Chor aufgenommen, organisiert wurde der Chor nun nach dem nationalsozialistischem „Führerprinzip". Am 9. September 1933 wird der selbsternannte Eislauftrainer seit 1947 auf dem Amtsteich Karl Andörfer in Ströbitz geboren. Im Cottbuser RAW erlernte er den Beruf eines Schlossers. Seit 1976 war er als Angestellter beim VEB (K) Landschaftsgestaltung und Naherholung für die Betreuung der Cottbuser Eisbahnen, speziell auf dem Amtsteich, und des Kahnfährbetriebes an der Sandower Brücke zuständig. Er wurde 1994 entlassen. Karl Andörfer stirbt am 8. August 1996 in Cottbus.
  • Am 17. September 1933 findet die erste Luftschutzübung in Cottbus statt.
  • Der Pfarrer und Kulturorganisator Wilhelm Nowy (Wylem Nowy) stirbt am 1. Oktober 1933 in Cottbus. Der Sohn eines Bauern wurde am 15. Januar 1870 in Burg geboren. In Guben besuchte er zwischen 1881 und 1891 das Gymnasium, danach studiert er bis 1895 Theologie in Halle und Berlin. Als Hauslehrer war er in Potsdam von 1895 bis 1902 tätig, anschließend bis 1904 Pfarrer in Groß Postwitz und bis 1910 Pfarrer in Kittlitz. In Briesen wirkte er bis 1917, danach war er bis 1933 Pfarrer an der Wendischen Kirche Cottbus. Er war der letzte wendisch sprechende Pfarrer an der Klosterkirche und zelebrierte jeden Sonntag eine wendischen Gottesdienst. Nach seinem Tod fanden diese nur noch alle vier Wochen einmal statt. Er wird 1891 erster Vorsitzender der von ihm und Gotthold Schwela gegründeten Studentenvereinigung „Bund wendischer Freunde" und organisiert zahlreiche jungsorbische Veranstaltungen und Gesangsfeste in den Dörfern um Cottbus. Von 1913 bis 1933 ist er Vorsitzender der niedersorbischen Buchgesellschaft Maśica Serbska.
  • Auf Grund eines Amtsbeschlusses wird am 30. Dezember 1933. der„Arbeiter - Turn- und Sportverein Dissenschen" aufgelöst und zwangsweise der „Deutschen Turnerschaft e. V." angegliedert.

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