Cottbus-Chronik

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 1890  

1890

  • In der Stadt leben bereits 34.620 Einwohner (Stand: Volkszählung vom 1. Dezember 1890). Das sind 6.535 mehr als 1885. In allen Himmelsrichtungen sind neue Wohnungen und Fabrikanlagen entstanden.
  • Anfang des Jahres wird mit der telefonischen Verbindung von Cottbus nach Berlin beim "Anzeiger" eine Rubrik "Telephonischer Spezialdienst" eingeführt. Darin übermittelten täglich Berliner Mitarbeiter die letzten politischen Nachrichten der Redaktion.
  • In Cottbus wird ein katholischer Vinzenzverein gegründet. Der karitative Laienverein führt den Namen des Patrons, des heiligen Vinzenz von Paul.
  • Der Kreistag Cottbus beschließt den Neubau des Landratsamtes auf dem Grundstück an der Bahnhofstraße das vom Zimmermann Simon erworben wurde. Bis dahin waren die Verwaltungsbehörden von Cottbus - Land im alten Ständehaus an der Sandower Brücke untergebracht. Der Entwurf für das neue Gebäude Bahnhofstraße 24 stammt von Cottbuser Architekten und Maurermeister Ewald Schulz, der auch die Bauausführung übernimmt. Der Fassadenentwurf erfolgt gesondert vom Cottbuser Architekten Paul Freygang. Dieser Bau des Historismus enthält auch die Dienstwohnung des Landrats. In der Mitte des Gebäudes befindet sich das Hauptportal mit einem kleinen Türmchen mit Uhr.
  • Der Promenadenweg (heute Puschkinpromenade) wird mit Gaslaternen beleuchtet.
  • Da der Bau eines Hallenbades wahrscheinlich über die "Finanzen" der Stadt Cottbus hinausging, hatte ein findiger Cottbuser drei feste Badehäuschen an der damaligen Stadtmühle am Amtsteich errichtet, in der er ein "Wellenbad" betrieb. Damen und Herren - natürlich streng getrennt - zahlten dafür 6 Mark für jede halbe Stunde.
  • Ab 1890 gab es für die Bewohner der Spremberger Vorstadt Gottesdienste in der VI. Elementarschule in der Weinbergstraße, die zeitgleich mit den Gottesdiensten in der Oberkirche abgehalten wurden.
  • Beginn der Lehrlingsausbildung im Reichsbahnausbesserungswerk Cottbus mit 6 Lehrlingen zum Schlosser. Da noch keine eigene Lehrwerkstatt vorhanden war, erhielten die Lehrlinge die zu dieser Zeit übliche Handwerkerausbildung. Zum theoretischen Unterricht, der erst viel später Pflicht wurde, mussten die Lehrlinge in die "Cottbuser Fortbildungsschule" gehen und dies an drei Wochentagen von 16 bis 20 Uhr besuchen. Erst 1897 wurde die erste Lehrwerkstatt im Reichsbahnausbesserungswerk eingerichtet. Nach einer 4-jährigen Ausbildung musste jeder Lehrling ein Gesellstück anfertigen.
  • Anfang Januar treten die Weber der Cottbuser Tuchfabrik "Grovermann & Hoppe" wegen des in der Fabrik wegen fehlerhaften Webens eingeführten Lohnabzugs in den Ausstand. Es finden öffentliche Arbeiterversammlungen und Auseinandersetzungen beider Parteien im "Cottbuser Anzeiger" statt, ohne dass eine Einigkeit erzielt werden kann. Am 10. Januar 1890 wird der Streik endlich beigelegt.
  • Im Cottbuser Zentralgefängnis stirbt am 10. Februar 1890 der Gefangene Schwerdtner, der 1881 den Rechnungsführer Kämpf vom hiesigen Brauverband im Kassenlokal überfallen und tödlich verletzt hatte. Der damals noch nicht 17-jährige Straftäter war zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
  • Am 24. März 1890 wird mit dem Abbruch der Predigerhäuser auf dem Oberkirchplatz begonnen.
  • Am 1. April 1890 erscheint die erste Nummer der sozialdemokratischen Zeitung "Märkische Volksstimme" im Regierungsbezirk Frankfurt/Oder.
  • Cottbuser Arbeiter versammeln sich am 14. April 1890 im Döringschen Saal. Es spricht der sächsische Landtagsabgeordnete August Kaden über den 1. Mai. Es wird der Beschluß gefasst, am 1. Mai "eine Manifestation zugunsten der Einführung des achtstündigen Arbeitstages" durchzuführen. Auch die Zusammenkunft der Bauarbeiter ruft am 22. April 1890 zu einer Maidemonstration auf.
  • Die Knabenklassen werden am 17. April 1890 wegen Überfüllung aus der Gemeindeschule 3 in der Wallstraße 55 herausgelöst. Hier im alten Schulgebäude verbleiben die Mädchenklassen. Das verlassene Knaben-Mittelschul-Gebäude Wallstraße 49 wird nun als Gemeindeschule 5 bezeichnet, deren Leitung übernimmt Hauptlehrer Hosselfelder. Hier werden die Knaben unterrichtet.
  • Für die erste Maikundgebung in Cottbus am 1. Mai 1890 arbeitet die Polizeiverwaltung "Vorsichtsmaßnahmen für den 1. Mai" aus. Die Cottbuser Sozialdemokraten organisierten eine „Landpartie" nach Kolkwitz. *
  • Am 1. Mai 1890 wird die neue Oberrealschule in der Bismarckstraße / Ecke Bahnhofstraße 11 eingeweiht. Ihr Vorläufer war die 1874 gegründete Knabenmittelschule. Das neue Gebäude wird vom Stadtbaurat Schneider an den Magistratsdirigenten und Oberbürgermeister Dr. Mayer übergeben. Als Rektor wird Dr. Heine angestellt. Die neue Schule zählt zunächst 321 Schüler. Das Gebäude erfährt in den folgenden Jahren mehrere Erweiterungen und die Oberrealschule wird eine der größten und bedeutendsten Schulen in der Region. Ab 1895 können die Schüler dann auch in der neuen Turnhalle Sportunterricht erhalten und noch heute zeugen Schule und Turnhalle von der einstigen Bildungsstätte.
  • Im Wobusa’schen (Kolkwitz’schen) Lokal tagt am 22. Juni 1890 der sozialdemokratische Parteitag für den Regierungsbezirk Frankfurt/Oder. Es wird beschlossen, die in Frankfurt/Oder erscheinende "Märkische Volksstimme" zum Parteiorgan für den Regierungsbezirk zu erheben. Die Zeitung muss ihr Erscheinen im März 1933 einstellen.
  • Am 26. Juni 1890 rettet der Gerichtsvollzieher Püschel am Spreewehr beim Schützenhaus unter eigener Lebensgefahr einen ins Wasser gefallenen vierjährigen Knaben vor dem Ertrinken.
  • Im Sommer gelingt es den Mitgliedern der "Serbowka" um M. Andricki, eine enge Verbindung zur sorbischen studentischen Jugend aus der Niederlausitz um Bogumil Swjela und Hayno Rizo aufzunehmen. Der Sekundaner Swjela übernimmt nach Bogumil Bronis die Leitung eines am Cottbuser Gymnasium untersagten privaten sorbischen Sprachzirkels.
  • Während eines Gewitters am 2. August 1890 wird in Sielow ein Gehöft vom Blitz getroffen und eingeäschert. In Skadow trifft am gleichen Tag der Blitz eine mit 15 Schock Roggengarben gefüllte Scheune, die ebenfalls niederbrennt.
  • Vom 16. August 1890 bis zum 18. August 1890 feiert man in Cottbus das erste Kreisturnfest. Vor unzähligen Zuschauern finden sich auf dem Viehmarkt rund 2.500 Sportler aus 97 Vereinen ein, um ein Schau- und Wettturnen vorzuführen.
  • Am 21. August 1890 beschließt der Magistrat, dass die Gasanstaltsdirektorenstelle von der Stadtbauratsstelle getrennt wird und dass die Stelle des Stadtbaurats ausgeschrieben wird. Bisher war der Direktor der Gasanstalt Schneider auch Stadtbaurat.
  • Bereits seit 1820 bestand für die Stadt die Auflage, ein öffentliches Schlachthaus zu unterhalten. Da der Magistrat jedoch nie genügend Geld hatte und die Fleischer meinten, dass ihre Schlachthäuser den Anforderungen genügten, dauerte es sieben Jahrzehnte, ehe am 25. August 1890 der Städtische Schlachthof in Betrieb genommen wird. Die Kosten beliefen sich auf 685.000 Mark. Mit dem Kühlhaus wird eine Eisfabrik verbunden. Mit zwei Wagen wird auch in der Stadt künstliches Eis angeboten. Die Fleischbeschau wird durch einen Direktor und 2 Assistenzärzten ausgeübt, im Trichinenschauamt waren 2 Probenehmer, 2 Trichinenschauer und 6 Trichinenschauerinnen beschäftigt. Im ersten Jahr gibt es bereits 26.000 Schlachtungen. Der Magistrat gibt am 22. Dezember 1890 bekannt, dass Schlachthausinspektor Wulff zum Schlachthausdirektor ernannt wurde. Mehr als ein Jahrhundert werden hier Tiere geschlachtet, die Stilllegung des traditionsreichen Betriebes am Spreeufer erfolgt im April 1996.
  • Die Polizeiverwaltung veröffentlicht am 26. August 1890 eine "Verordnung, wonach das Radfahren in hiesiger Stadt unter bestimmten Beschränkungen freigegeben ist".
  • Am 1. Otober 1890 wird auf dem Wirtschaftshofe des Zentralgefängnisses der Hausbesitzer und Schlosser Zesch am Abend vom Militärposten erschossen, weil er trotz dreimaligen Anrufs nicht stehengeblieben war.
  • Am 1. November 1890 eröffnet Dr. Carl Thiem sein medico-mechanisches Institut in der Großenhainer Straße 3.
  • Am 19. November 1890 bricht gegen 22 Uhr im Wislavgschen Hause in der Dresdener Straße in der Dachkammer ein Brand aus, den die Feuerwehr wegen Wassermangels nur mühsam bekämpfen kann.
  • Der Stadtverordnete Ebell wird am 3. Dezember 1890 als unbesoldeter Stadtrat ins Amt eingeführt.
  • Auf Grund einer Personalkonzession älteren Stils eröffnet C. Fiedler am 5. Dezember 1890 die Kronen-Apotheke in der Marienstraße.
  • Am 18. Dezember 1890 wird die niedersorbischen Schneiderin und Trachtenstickerin Pauline Krautz (Paulina Krawcowa) als Tochter eines Zimmermanns geboren.

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